Märchen aus ... 2. Teil

 Franz in Afrika

Franz in Afrika

Franz in Afrika

Auch im Januar 2002 sind wir wieder nach Marokko/Agadir aufgebrochen. Die erste Woche verlief ähnlich wie im Jahr zuvor, doch die zweite Woche, als Expedition ausgeschrieben, hatte es in sich.

Wir sind ins wilde Innere Marokkos fliegerisch vorgedrungen. Wir hatten lediglich einige vage Hinweise auch aus der Literatur, wo wir fliegen könnten. Die schriftlichen Unterlagen liessen uns schnell im Stich, doch finden wir einige kleinere Soaringhügel mit 30 - 50 m. schon am ersten Tag der FlyART Expedition. Jürgen überhöhte nach anspruchsvollen Rückwärtsstart (Col de Scorpions) den Hang um das Doppelte. Toplanden war dann mit Hilfe der Flugkollegen einfach.

Rena´s Allradjeep bringt uns dann über einsamsten Pisten durch tolle, wasserlose Gebirgslandschaften, breite Täler und enge Schluchten ins Vallee du Draa. Vom Schnee des Hohen Atlas gespeist, rinnt hier unterirdisch eine Menge Wasser, die einen riesigen grünen Dattelpalmenhain gedeihen lässt. Dieser Landschaftswechsel grenzt an ein Wunder. Eben noch staubtrockene, harte, vegetationslose Landschaft, jetzt ein fast liebliches Tal, gefüllt mit Grün. Wir suchen uns knappe 100 km von der algerischen Sahara entfernt, in Zagora ein nettes Hotel.

 Wuestenflug

Wuestenflug

Wuestenflug

Weiter in den Süden zieht es uns. An einem kleinem Pass fährt uns Rena über eine wild steinige Piste zur Startstelle neben einer Antenne. Der Wind passt für einen kleinen ersten Flug über ca. 50 m. Wir sind an einer so einsamen Stelle gelandet, dass keine Autospuren zum Landeplatz führen. Also ist Aufsteigen und Schirmtragen angesagt. Laut Beschreibung sollte der Startplatz "hergerichtet" sein, aber alle lockeren Steine haben wir selbst zur Seite geschoben. Ohne Rückwärtsstarts hat man in dieser Region wirklich Probleme. Die Leinen bleiben überall dort hängen, wo wir nie damit gerechnet haben. Es gibt auch in der Steinwüste unendlich viele Kanten, verdorrte, widerstandsfähige Wurzelreste, Draht, und manchmal auch Kinder, die das Starten zur komischen Tragödie werden lassen. Doch überwältigend und diesen Kleinärger längst aufhebend, bleibt die Grösse und Weite der Landschaft. Hier im Süden Marokkos sind die Steine alle fast schwarz oxidiert. Alte Pfade, auf den früher sicher Menschen und Vieh, die noch sehr viel grünere Landschaft durchstreift haben, erkennt das geübte Auge. Zeit zum Erforschen dieser Systeme brauchte man...

 Nach der Landung

Nach der Landung

Nach der Landung

Weiter geht es nach Süden. Die nächste Antenne hat lediglich eine kurze aber heftige Auffahrt. Dafür finden wir wieder ideal Soaringmöglichkeiten. Der Wind steht genau auf dem ca. 150 m. hohen Kette. Davor eine riesige Ebene. Laminare Windbedingungen mit 15 - 18 km/h. Nichts wie in die Luft! Und schon fliegen wir mit unseren bunten Schirmen am nördlichen Rand des grossen Sahara und erfreuen die wenigen Autotouristen und Lkw Fahrer auf der nahen Überlandstrasse. Die Landung ist einfach, auch ohne Schlangen oder Skorpione, dafür liegt unser Platz direkt an einer einfachen Piste. Der Rückholservice funktioniert hier bestens.

Weiter geht es nach Süden. Bisher sahen wir kleine Sandhaufen am Wegesrand, diese wachsen je näher wir zur algerischen Grenze kommen, bis auf ca. 25 m. Höhe an. Noch sind wir im Vallee d`Draa, also wachsen zusammen mit den Dünen auch noch Tamarisken, sodass wir "bewaldete" Sandhaufen zu sehen bekommen. Der Wind ist so leicht, das wir Rena guten Gewissens einen wirklich ersten Flug über dem geneigten Sand gönnen. Nach diesen intensiven ersten Saharaeindrücken führt unser Weg wieder zurück Richtung Norden und Westen.

Über Zagora und Agdz durch das Palmental geht es nach Quarzazate. Über den hohen Atlas mit seinen schneebedeckten Drei- und Viertausenders führt der Pass Tiz´n Ticka. Fluggebiet? stellt sich uns die Frage, haben wir doch 2210 m. über dem Meer erreicht. Vom Pass selber sehen wir keine Chance, zu fliegen: die aufdringlichen Steinverkäufer weisen uns zu Antennen, die auf einer Piste leicht zu erreichen sind. Wir landen schliesslich am Ende dieser Piste auf ca. 2800m. Schnee! verhindert die Weiterfahrt. Zu Fuss und ohne Schirm geht es über Harsch und Eis bis über 3000 m. Hier finden wir die erhofften Startplätze mit Blick auf ein Dorf, das Landeplätze in dem schmalen Tal verspricht. Den Flug verschieben wir auf nächste Jahr, da es heute schon zu spät für einen zweiten Aufstieg mit Schirm ist.

Der nächste Tag belohnt uns mit einem tollen Soaringflug nur ca. 50 km südlich von Marrakesch. Zu Fuss steigen wir ca. 250 Höhenmeter zum kilometerlangen Grat auf. Vor uns eine grosse Ebene, der Wind steht wieder einmal senkrecht zum Hang. Ideale Bedingungen zu einem langen Flug im Januar. Heinz, gesundheitlich etwas angeschlagen, startet als Erster, fliegt mit einem Nullschieber bis zum Ende der Grete und dann weiter zum Landeplatz, der jetzt noch kinderfrei ist. Unser "Vielfrass" Rainer kann sich mit seinem weissen Arcus etwas länger halten, doch das für ihn ungewohnte Soaren lädt zu Fehlern ein. So landet er wenig später direkt unterhalb vom Startplatz und beginnt zum zweitenmal an diesem Tag den Aufstieg. Der Sepp erwischt es mit seinem roten Effekt besser. Eine 3/4 Stunde bleibt er in der Luft. Jürgen, unser 100 kg Rückwärtsstartspezialist, hebt an einem Fels ab, der frei ins Tal ragt. Ein Startplatz so richtig nach seinem Herzen. Sein doch eher altertümlicher A4 setzt ihn nach wenigen Minuten gekonnt am Landeplatz wieder ab. Auch ich starte jetzt. Aus der Luft beobachte ich den Sepp beim Soaren, den Aufstieg von Rainer und Jürgen sowie deren Startversuche aus einer Horde von Kindern. Das war wohl nicht so einfach, statt zu helfen, hindern die Kinder eher beim Start. Der Wind nimmt leicht zu, wird z. T. ruppig in mehreren hundert Metern über dem Grat, so dass ich herunterspirale. Nach einer weiteren Stunde in der Luft stehen wir alle wieder wohlbehalten und glücklich am Boden. Am Abend finden wir einen tollen Gastwirt, der sehr gut, reichlich und Überraschendes auftischt. Der letzte Tag vergeht dann leider ohne Flug. Die Luft am bekannten Tiz´n Test ist leider heute viel zu bockig. So fahren wir hinunter in die Ebene, kaufen letzte Mitbringsel ein. Die Ziele des nächsten Winters sind aber jetzt schon klar!

Fazit: Im Winter kommt man in erträglicher Entfernung von der heimischen Kälte nirgends besser fliegen wie in Marokko. Wir hatten die letzten Jahre gerade mal 10 Minuten Regen, sonst hauptsächlich Sonnenschein und tagsüber T-Shirt Temperaturen.

Marokko-Info: Das Wichtigste in einem Entwicklungsland sind sichere Flüge. Die einheimischen Hospitäler rar und schlecht. Zu empfehlen sind wirklich Gruppenreisen mit Landeskennern und verantwortungsvollen Fluglehrern. Auf unserer Reise trafen wir zwei Paragleiter mit aufgerissenen Fingern. Sie hatten Startversuche eine halbe Stunde vor uns gemacht und uns dann ganz neidisch beim richtigen Wind starten sehen. Achtet die landetypischen und moslemischen Eigenheiten! Material kann nicht geschont werden. Wer seinem neuen Schirm nachtrauert, ist hier fehl. Start- und Landeplätze sind ohne Windfahnen und nicht ausgeschildert. Trotzdem erkennt man als erfahrener Flieger die sicheren Plätze heraus. Aber Achtung auf die Winde! Sie können mittags viel zu start thermisch sein. Die besten Monate sind Dezember und Januar, vielleicht noch der Februar.

PS.: Auf genaue Start- und Landeplatzbeschreibungen habe ich absichtlich verzichtet. Marokko ist nur als Gruppenreise mit kompetenter Fluglehrerbegleitung sinnvoll und sicher zu befliegen! Und das ist leider kein Fluglehrerspruch!

© by Klaus Schwarzer, FlyART

28.1.2002

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